Der Orbán-Effekt?

14.09.2017

In einem aktuellen Wahlkampfvideo der FPÖ zeigt diese, wie Ungarn Österreich (bei einem Radrennen) überholt und abhängt. Generell ist die FPÖ neuerdings recht Ungarnaffin. Das war früher nicht so, als sie Masseneinwanderung aus dem Osten befürchtete. Aber seit Viktor Orbán den starken Mann mimt, findet die FPÖ gefallen an unserem Nachbarn. Und auch die ÖVP, pardon, die Liste Kurz, lobt gerne Ungarn und seinen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Offensichtlich ist dieser starke Mann in der Lage die Grenzen dicht zu machen und sein Land zu beschützen. Und wie sehen das die Ungarn selbst? Wir haben dazu einen Blick auf die (österreichische) Statistik geworfen.

Betrachtet man in Österreich lebende EU-Bürger, so hat sich deren Anzahl in den vergangenen 15 Jahren um 65% erhöht (von rund 450.000 auf 740.000 Personen). Aufgrund der Personenfreizügigkeit in der EU ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Schaut man genauer hin, so lässt sich sehen, dass selbst unter den neuen EU-Mitgliedsstaaten (EU-Beitritt ab 2004) die Entwicklung fast gleich verläuft. Die Personenanzahl aus diesen Staaten ist im gleichen Zeitraum um 70% gestiegen (von rund 250.000 auf 430.000). Das oft befürchtete "Überlaufen durch Bürger des ehemaligen Ostblocks" ist also ausgeblieben.

Umso interessanter ist die Entwicklung der Ungarn. Auch hier verlief die Entwicklung dem allgemeinen Trend folgend. Bis 2011. Denn ab 2011 stieg die Anzahl der in Österreich lebenden Ungarn deutlich stärker an, und hebt sich seitdem klar von den anderen Staaten ab. Insgesamt hat sich die Zahl der hier lebenden Ungarn mehr als verdoppelt. Sie stieg im Vergleichszeitraum um 136% (von rund 31.000 auf 72.000). Den interessierten Beobachtern stellt sich hier die Frage: was ist der Grund für diesen Anstieg?

Hier muss jedenfalls zur Vorsicht gemahnt werden. Denn Kausalität und Korrelation sind zwei Paar Schuhe die gerne vermischt werden. Es könnte sein, dass ein singuläres Ereignis in Ungarn, wie etwa der Kolontár-Dammbruch (4.10.2010) Grund dafür ist, dass sich zunehmend mehr Ungarn in Österreich niederließen. Es könnte aber auch sein, dass der Ausbruch des Eyjafjallajökull (ab 20.3.2010) die Ursache dafür ist. Es könnte aber auch daran liegen, dass mit den ungarischen Parlamentswahlen 2010 eine autoritäre und nationalistische, rechte Regierungskoalition einzog. Und es könnte auch ganz andere Ursachen haben, warum Ungarn zunehmend ihr Wohl im benachbarten Österreich suchen.

Aber die Korrelation zwischen Amtsübernahme und autoritärer Umgestaltung des Landes und den parallel dazu steigenden Zahlen an Auswanderern, ist jedenfalls eine der interessanteren (möglichen) Erklärungen.


Interaktive Grafik der in Österreich lebenden EU-Ausländer


Datenquelle: Statistik Austria
Bromance?
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